Stell Dir eine internationale Marketing-Agentur vor:
Standorte in Berlin, Hamburg, Amsterdam und Los Angeles, rund 60 Mitarbeitende, unterschiedliche Sprachen und kulturelle Backgrounds – und ein Haufen unbespieltes Potenzial in den Prozessen.

Genau hier habe ich als Process & Automations Manager den Bereich Prozessautomatisierung standort- und länderübergreifend von null an aufgebaut. In diesem Artikel erzähle ich Dir von der Ausgangslage, meinem Vorgehen und den wichtigsten Learnings aus zwei Jahren Arbeit.


Ausgangslage

Als ich startete, gab es bereits einige Automatisierungen, die in High Code umgesetzt waren – teils auf lokalen Servern im Firmennetzwerk, teils in der Google Cloud.

Diese Skripte wurden von temporären Entwicklern gebaut, die längst weg waren. Ohne Wartung oder Weiterentwicklung blieben sie auf der Strecke, während sich Schnittstellen änderten, gelebte Prozesse weiterentwickelten und Hardware den Geist aufgab. Das Ergebnis: Automatisierungen, die still und heimlich ausfielen.

Die Folgen? Die Datenqualität ging den Bach runter, Reports und Forecasts der Client-Teams wurden unbrauchbar, Bankkonten nicht angebunden, und Workflows für Eingangsbelege fehlten. Als dann noch das ERP-System gewechselt wurde, war endgültig Schluss: Nichts funktionierte mehr, wurde nur noch von Menschen getragen – Stress, unklare Verantwortlichkeiten und operative Herausforderungen überall.

Und: es gab niemanden mit der Kompetenz, die Skripte wieder in Gang zu bringen, dauerhaft zu warten und weiterzuentwickeln.


Mein Engagement

In diesem entscheidenden Moment wurde ich als Process & Automations Manager engagiert, um die Situation zu retten. Die Herausforderung war beträchtlich und hätte gut in eine Serie eines bekannten Streaming-Dienstes mit rotem Logo gepasst: How to make digital processes automation run again (fast).

Meine Rolle kannst Du Dir wie einen In-House Consultant mit starkem Fokus auf Umsetzung und Implementierung vorstellen. Die bestehenden Probleme zu lösen und die digitalen Prozesse effizient und funktionsfähig zu gestalten, war meine Mission.


Mein Vorgehen: Schritt für Schritt zum Erfolg

Schritt 1: Verstehen, was Sache ist

Im Onboarding habe ich die COO in ihrem Arbeitsalltag begleitet und Interviews mit Schlüsselpersonen geführt. So konnte ich bereits nach einer Woche verstehen, wie die technische Infrastruktur aussieht, hatte Zugänge zu allen Systemen, kannte die wichtigsten Schlüsselpersonen und hatte ein komplettes Backlog aller Problemthemen.

Um Transparenz herzustellen, legte ich das Backlog im Projekt-Management-Tool Asana an, das die Firma bereits im Einsatz hatte – inkl. Titel, Problembeschreibung, Department und Process Owner pro Aufgabe. Die Führungsebene bekam vollen Zugriff, Process Owner hingegen sahen nur ihre Themen.

Schritt 2: Prioritäten setzen

Nicht alles war gleich dringend. Mit der Eisenhower-Matrix trennte ich Nice-to-Haves von Business-Kritischem, um finanzielle und Compliance-Risiken zu minimieren. Die Reihenfolge war klar: Dringend (D) & Wichtig (W) zuerst, dann der Rest (nDW, DnW, nDnW).

Nach einem Approval meiner COO konnte ich mit dem nächsten Schritt starten: Prozess-Interviews.

Schritt 3: Prozesse unter die Lupe nehmen

Ich vereinbarte Prozess-Interviews mit den Process Ownern – digital oder vor Ort, je nach Möglichkeit. Ich ließ mir alles genau erklären: Abläufe, Systeme, Daten, Abhängigkeiten. Bildschirmaufnahmen der Demonstrationen halfen, Details festzuhalten – inklusive Besonderheiten, Abweichungen und Fehler, die möglicherweise auftreten konnten. Unterschiedliche Mitarbeiter zeigten mir ihre Wege, denn jeder macht’s ein bisschen anders. Am Ende jedes Interviews gab ich einen Ausblick, zu wann sie mit meiner Prozessbeschreibung zur Abnahme rechnen konnten.

Schritt 4: Alles(!!) dokumentieren

Aus den Interviews entstanden Flow-Charts mit Beschreibungen, Screenshots und Ausführungsvarianten. Die Prozessbeteiligten nahmen ihre eigenen Ausführungsversionen ab, die Führungsebene prüfte anschließend, ob die zusammengefassten Prozesse alle Anforderungen erfüllten, die automatisiert werden sollten. War dies der Fall, konnte ich mit der Entwicklung loslegen.

Schritt 5: Die richtigen Tools wählen

Da die Agentur Cloud-First war, setzte ich auf Low-Code-Plattformen aus der Gattung Make.com und Zapier. Damit baute ich alles neu: von der Verarbeitung von Eingangsbelegen über ERP-Integrationen, Bankanbindungen, Controlling-Reports bis hin zu KI-gestützten Pipelines fürs Community Management.


Erfolge: Schneller, sicherer, besser

In sechs Monaten waren alle Automatisierungen, die dringenden und wichtigen waren, live. Operative Prozesse liefen schneller, sicherer und mit weniger Fehlern. Danach habe ich mich dem internen Wissensmanagement gewidmet – ein Gamechanger, um implizites Wissen zu sichern und Onboardings zu erleichtern. Entstanden ist das interne Wiki mit Guides, Artikeln, How-To Videos und Formularen – alles geordnet nach Departments und eine wahre Fundgrube für neue Mitarbeiter.

Später ging es an Zukunftsthemen wie KI, um Effizienzen zu steigern und dem anhaltenden Kostendruck zu trotzen. Eins vorweg: Chatbots allein sind nicht die Lösung, sondern erst der Anfang. Dazu in einem separaten Artikel mehr.

Durch meine Arbeit entstand mit der Zeit ein Automation Workspace, der weit über 90 einzelne Automatisierungen umfasst und bis heute (Datum der Veröffentlichung des Beitrags) über 68.000 Tasks automatisiert ausgeführt hat.


Meine Learnings: Was ich in zwei Jahren gelernt habe

Wenn man den Bereich Prozessautomatisierung aufbaut und damit in jeden Bereich des Unternehmens eindringt, arbeitet man zwangsläufig mit vielen verschiedenen Menschen in deren Hoheitsgebiet zusammen. Hier sind meine Learnings aus zwei Jahren Arbeit mit diesen Menschen:

  • Nicht jeder will Hilfe: Manche jammern lieber, als Probleme zu lösen.
  • Automatisierung zeigt Schwächen: Inkompetenz von Prozessbeteiligten wird sichtbar – und das kann wehtun.
  • Widerstand gibt’s immer: Wer Fortschritt blockiert, verlässt das Unternehmen auf kurz oder lang (von selbst) – das ist normal.
  • Feedback ist alles: Technisch perfekt reicht nicht, wenn Nutzer nicht mitziehen.
  • Der Alltag wird besser: Automatisierung nimmt Ballast und schafft Fokus.
  • Talente lieben Effizienz: Junge Leute wollen gestalten, nicht verwalten. Automatisierung ist Dienst am Nachwuchs.
  • Cloud-First kann mehr: Wer Cloud-Tools verwendet, hat keine Ausreden, nicht zu automatisieren.
  • Datenschutz/DSGVO: Ist sogar mit Cloud-Tools aus Übersee faktisch so gut wie nie ein Problem und häufig zu 100% konform implementierbar.
  • Compliance steigt & Risiken sinken: Automatisierung schützt vor teuren Fehlern.
  • Unsichtbar ist ideal: Die beste Automatisierung läuft im Hintergrund.
  • Modular denken: Kleine, eigenständige Szenarien, die miteinander kommunizieren, schlagen Monolithen.
  • Dokumentation rettet: Ohne sie ist nichts wartbar.
  • Wartung ist ein Muss: Prozesse und Schnittstellen ändern sich ständig.

Fazit: Chaos in Effizienz verwandeln

Prozessautomatisierung ist kein Zaubertrick, sondern Handwerk: Struktur, Priorisierung und Nutzerfokus machen den Unterschied zwischen guten und schlechten Automation Developern.

Die Frage danach, ob jemand schonmal EXAKT Deinen Prozess automatisiert hat, ist die falsche. Der potenzielle Fliesenleger hat Dein Bad schließlich auch noch nicht gefliest, kennt aber sein Handwerk.

Mit den richtigen Tools und einem klaren Plan kannst Du nicht nur Ordnung schaffen, sondern Dein Unternehmen zukunftssicher aufstellen und erreichst vor allem eins: Mehr Geschwindigkeit bei den wichtigen Themen durch weniger administrativen Ballast.

Bereit loszulegen?

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