Executive Summary

Im Gespräch mit Jutta Solga, Head of Transformation und Development bei der AXA, werden praktische Anwendungsfälle, Implementierungsstrategien und Kompetenzentwicklung im Bereich KI beleuchtet. Ergänzend wird in einem zweiten Gespräch mit Arbeitsrechtsexperte Frank Bollinger die rechtliche Dimension der KI-Nutzung im Unternehmenskontext, insbesondere die Schulungspflicht gemäß EU AI Act, thematisiert. Der Podcast verdeutlicht, dass KI nicht nur ein technologisches, sondern auch ein kulturelles und strategisches Thema ist, das einen differenzierten Umgang erfordert und Unternehmen vor die Herausforderung stellt, Mitarbeitende entsprechend zu befähigen.

Top 5 Erkenntnisse 💡

  1. KI ist für datengetriebene Unternehmen wie die AXA kein neues Thema, jedoch hat die generative KI einen Boost in der breiten Anwendung bewirkt. Die Implementierung sicherer Umgebungen wie "SecureGPT" ermöglicht den verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Daten.
  2. Die Hauptziele des KI-Einsatzes sind Entlastung der Mitarbeitenden und Bewältigung des Fachkräftemangels, nicht primär Personalabbau. KI übernimmt repetitive Aufgaben und schafft Freiräume für wertschöpfende Tätigkeiten.
  3. KI-Kompetenz umfasst technisches Verständnis, Anwendungswissen und kritische Bewertungsfähigkeit von KI-Ergebnissen. Unternehmen müssen gemäß EU AI Act sicherstellen, dass Mitarbeitende über entsprechende Kompetenzen verfügen.
  4. Die Personalentwicklung profitiert von KI durch Effizienzsteigerung bei konzeptionellen Vorarbeiten wie der Erstellung von Kompetenzmodellen. Dies ermöglicht eine Fokussierung auf die eigentliche Implementierung und Begleitung von Menschen.
  5. Die rechtliche Dimension des KI-Einsatzes gewinnt mit dem EU AI Act an Bedeutung und schafft neue Compliance-Anforderungen. Die Schulung von Mitarbeitenden reduziert potenzielle Haftungsrisiken bei Datenschutzverstößen oder anderen KI-bezogenen Vorfällen.

KI-Implementierung in Unternehmen

Transformation Change Management Digitalisierung

Kontext

Die Implementierung von KI in Unternehmen stellt einen tiefgreifenden Transformationsprozess dar, der weit über die reine Technologieeinführung hinausgeht. Im Podcast wird deutlich, dass Unternehmen wie die AXA bereits seit Jahren mit KI arbeiten, jedoch primär in analytischen Hintergrundprozessen. Mit dem Aufkommen generativer KI hat sich die Situation grundlegend verändert: KI-Anwendungen werden nun für eine breite Nutzerschaft zugänglich und sichtbar. Diese Entwicklung erfordert neue Strategien zur Implementation, die sowohl technische als auch kulturelle Aspekte berücksichtigen. Der Kontext der KI-Implementierung ist dabei geprägt von der Notwendigkeit, Datensicherheit zu gewährleisten, Mitarbeitende zu befähigen und gleichzeitig einen konkreten Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen. Besonders in datengetriebenen Branchen wie der Versicherungswirtschaft ist KI ein strategischer Wettbewerbsfaktor, der jedoch mit Bedacht eingeführt werden muss, um Akzeptanz zu finden und regulatorische Anforderungen zu erfüllen.

Kernargumente

Die AXA hat einen strategischen Ansatz zur KI-Implementierung gewählt, der auf mehreren Säulen basiert. Zentral war die Entwicklung einer sicheren Umgebung ("SecureGPT"), die den Mitarbeitenden die Nutzung von KI-Tools ermöglicht, ohne Datenschutzrisiken einzugehen. Jutta Solga betont: "Wir können quasi ChatGPT bei uns nicht nutzen oder nur mit offenen Daten nutzen, aber mit allen Daten, die in eine Vertraulichkeit reinkommen, ist das natürlich verboten." Die Lösung war die Entwicklung einer eigenen sicheren Umgebung, die ähnlich funktioniert wie ChatGPT, aber den Sicherheitsanforderungen entspricht.

Ein weiteres Kernargument ist der bewusste und zielgerichtete Einsatz von KI: "Wichtig ist, dass wir bei allen KI-Tools, also eigentlich allen digitalen Tools, nicht das einfach in die Luft schmeißen wie Konfetti, sondern uns immer sehr bewusst überlegen, wofür nutzen wir das und wo hat es auch einen Mehrwert?" Dieser differenzierte Ansatz zeigt sich in der Identifikation spezifischer Einsatzbereiche, in denen KI einen echten Mehrwert bieten kann, während in hochstandardisierten Prozessen andere Formen der Automatisierung sinnvoller sein können.

Die Implementierung wird als umfassender Transformationsprozess verstanden, der weit über technische Aspekte hinausgeht. Solga beschreibt einen "Dreiklang" aus "lesen, lernen, sprechen" – ein ganzheitlicher Ansatz, der Kommunikation, Qualifizierung und kontinuierlichen Austausch umfasst. Besonders wichtig ist dabei die Entwicklung eines "Narrativs", einer "Story zum Thema KI", die die Grundüberzeugungen des Unternehmens transportiert und Orientierung bietet.

Evidenz und Beispiele

Als konkretes Beispiel für die KI-Implementierung dient "SecureGPT", eine unternehmensinterne Lösung, die ähnlich wie ChatGPT funktioniert, aber den Sicherheitsanforderungen des Unternehmens entspricht. Dieses Tool wurde gezielt in die Breite ausgerollt, um Mitarbeitenden einen sicheren Zugang zu generativer KI zu ermöglichen. Ergänzend werden weitere Tools wie Microsoft Copilot und GitHub für spezifische Anwendungsbereiche pilotiert.

Die differenzierte Implementierungsstrategie wird am Beispiel verschiedener Unternehmensbereiche verdeutlicht: In der direkten Kundenbetreuung mit standardisierten Prozessen steht Effizienz im Vordergrund, weshalb dort andere Formen der Automatisierung sinnvoller sein können als generative KI. In Bereichen, die Kreativität erfordern oder wo Kommunikation und das Verfassen von Schriftstücken im Mittelpunkt stehen, bietet generative KI hingegen einen echten Mehrwert.

Für die Einführung wurde ein kaskadischer Multiplikatorenansatz gewählt: "Wir sind über alle Führungsrunden der Ressorts [...] reingegangen, haben erklärt, wofür wir das Tool überhaupt anwenden wollen, haben gemeinschaftlich überlegt, was Anwendungs- und Einsatzgebiete sein können." Dieser Ansatz ermöglicht eine breitere Akzeptanz und die Identifikation relevanter Anwendungsfälle.

Diskussion

Die KI-Implementierung erfordert einen Balance-Akt zwischen Innovation und Sicherheit, zwischen breiter Nutzung und gezieltem Einsatz. Dabei müssen Unternehmen sowohl technische als auch kulturelle Aspekte berücksichtigen und einen differenzierten Ansatz wählen, der auf die spezifischen Bedürfnisse verschiedener Unternehmensbereiche eingeht.

Verbindungen

Die KI-Implementierung ist eng verknüpft mit Fragen der Kompetenzentwicklung, da Mitarbeitende befähigt werden müssen, KI-Tools kompetent zu nutzen. Zudem bestehen Verbindungen zu rechtlichen Aspekten, insbesondere Datenschutz und Compliance-Anforderungen wie dem EU AI Act. Die Implementierung hat auch Auswirkungen auf die Personalentwicklung, die durch KI-Unterstützung effizienter gestaltet werden kann.


KI-Kompetenzen und Schulungsansätze

Weiterbildung Skill Development Change Management

Kontext

Die Entwicklung von KI-Kompetenzen ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Nutzung künstlicher Intelligenz in Unternehmen. Im Podcast wird deutlich, dass KI-Kompetenz als Unterkompetenz der allgemeinen digitalen Kompetenz verstanden wird und verschiedene Dimensionen umfasst: technisches Verständnis, Anwendungswissen und kritische Bewertungsfähigkeit. Der Kontext für die Entwicklung dieser Kompetenzen ist geprägt von unterschiedlichen Ausgangsniveaus der Mitarbeitenden, von Vorbehalten gegenüber der Technologie und von der Notwendigkeit, einen verantwortungsvollen Umgang mit KI zu fördern. Gleichzeitig gewinnt das Thema durch neue regulatorische Anforderungen wie den EU AI Act an Bedeutung, der Unternehmen verpflichtet, die KI-Kompetenz ihrer Mitarbeitenden sicherzustellen.

Kernargumente

Jutta Solga definiert KI-Kompetenz als "das Wissen rund um künstliche Intelligenz [...], also einmal grundsätzlich zu verstehen, was ist das und wie funktioniert es, künstliche Intelligenz, wie wende ich es auch an und wie bewerte ich dann aber auch Ergebnisse, die mir ausgegeben werden, kritisch". Diese Definition umfasst sowohl technische als auch ethische und kritische Dimensionen.

Die AXA hat einen umfassenden Ansatz zur Entwicklung von KI-Kompetenzen gewählt, den Solga als "Dreiklang" aus "lesen, lernen, sprechen" beschreibt. Dieser Ansatz geht über klassische Schulungsformate hinaus und umfasst verschiedene Lernformate: "Wir haben richtig klassische Schulungsformate, Online-Formate, aber auch quasi richtige Klassenraumtrainings bis hin zu Communities, wo wir einfach uns darüber unterhalten, warum mein Prompt schon wieder nicht funktioniert hat und was ich anders machen kann."

Ein weiteres Kernargument ist die Notwendigkeit, Führungskräfte als Multiplikatoren einzubinden und spezifisch zu schulen. Solga beschreibt einen "kaskadischen Ansatz", bei dem Führungskräfte nicht nur selbst geschult werden, sondern auch als Vermittler für ihre Teams fungieren. Zudem werden spezifische Schulungen für Führungskräfte angeboten, die auf ihre besondere Rolle eingehen: "In drei Wochen habe ich einen Vortrag [...], wo es wirklich darum geht, wie setze ich als Führungskraft in meinem Führungsalltag, also wie kann ich da KI nutzen und was sind Prompts, die mir auch helfen?"

Evidenz und Beispiele

Als konkretes Beispiel für den Schulungsansatz wird die schrittweise Einführung von "SecureGPT" genannt, bei der zunächst allgemeine Informationen vermittelt wurden, dann über Führungsrunden und Multiplikatoren spezifischere Schulungen angeboten wurden, bis hin zu sehr spezifischen Schulungen zum Prompting. Dieser mehrstufige Ansatz ermöglicht eine differenzierte Kompetenzentwicklung, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Vorkenntnisse der Mitarbeitenden eingeht.

Ein weiteres Beispiel ist die persönliche Lernreise von Jutta Solga, die beschreibt, wie sie selbst ihre Prompting-Fähigkeiten entwickelt hat: "Ich habe jetzt tatsächlich, also vor allen Dingen in dem letzten Jahr gelernt, wie ich gut prompte. [...] Und habe unzählige Kurse an tausend Coursera Sachen teilgenommen und habe darüber erst mal für mich gelernt, das quasi kompetent und gut anzuwenden."

Für die praktische Anwendung werden konkrete Use Cases genannt, wie die Erstellung von Kompetenzmodellen oder die Vorbereitung von Entwicklungsgesprächen: "Ich muss gleich ein Entwicklungsgespräch, ich möchte eine Teamleitung Richtung Abteilungsleitung entwickeln. Was sind sozusagen die wesentlichen Verhaltenspunkte, die sich ändern, damit wir die gut im Gespräch besprechen können? Da hätte ich vorher, weiß ich nicht, einen Tag lang rumgebastelt und deswegen nicht getan. Jetzt hat es mich 5 Minuten gekostet und ich führe ein viel besseres Gespräch."

Diskussion

Die Entwicklung von KI-Kompetenzen erfordert einen differenzierten Ansatz, der über reine Wissensvermittlung hinausgeht und praktische Anwendung, kritische Reflexion und kontinuierlichen Austausch umfasst. Dabei müssen Unternehmen sowohl auf unterschiedliche Vorkenntnisse eingehen als auch spezifische Rollen wie Führungskräfte berücksichtigen.

Verbindungen

Die Entwicklung von KI-Kompetenzen ist eng verknüpft mit der KI-Implementierung, da kompetente Mitarbeitende eine Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung von KI-Tools sind. Zudem bestehen Verbindungen zu rechtlichen Aspekten, insbesondere der Schulungspflicht gemäß EU AI Act, sowie zur Transformation der Personalentwicklung, die durch KI neue Möglichkeiten erhält.


Rechtliche Dimension der KI-Nutzung

Compliance Datenschutz Regulierung

Kontext

Die rechtliche Dimension der KI-Nutzung gewinnt mit neuen Regulierungen wie dem EU AI Act zunehmend an Bedeutung. Der EU AI Act, der am 1. Februar 2024 in Kraft getreten ist, schafft einen regulatorischen Rahmen für den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Europäischen Union und stellt Unternehmen vor neue Compliance-Anforderungen. Ein zentraler Aspekt ist die Verpflichtung, die KI-Kompetenz der Mitarbeitenden sicherzustellen. Diese Verpflichtung ist im Kontext zunehmender Risiken durch den breiten Einsatz von KI zu sehen, insbesondere in Bezug auf Datenschutz, Urheberrecht und ethische Fragen. Unternehmen müssen sich mit diesen rechtlichen Anforderungen auseinandersetzen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um Compliance sicherzustellen und Haftungsrisiken zu minimieren.

Kernargumente

Frank Bollinger erläutert, dass der EU AI Act KI-Kompetenz definiert als "die Fähigkeiten, die Kenntnisse und das Verständnis, die es den Anbietern, Betreibern und Betroffenen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Rechte und Pflichten im Rahmen dieser Verordnung ermöglichen, KI-Systeme sachkundig einzusetzen sowie sich der Chancen und Risiken von KI und möglicher Schäden, die sie verursachen kann, bewusst zu werden." Diese umfassende Definition geht über technische Fähigkeiten hinaus und umfasst auch ein Bewusstsein für ethische, datenschutzrechtliche und gesellschaftliche Fragestellungen.

Ein weiteres Kernargument ist die Notwendigkeit von Schulungen zur Sicherstellung dieser Kompetenzen. Obwohl der Begriff "Schulungspflicht" nicht explizit im Gesetz verwendet wird, ergibt sich aus der Verpflichtung zur Sicherstellung von KI-Kompetenz faktisch eine Notwendigkeit zur Schulung: "Wenn ich Kompetenz sicherstellen will, die vielleicht noch nicht vorhanden ist, [...] da fällt mir dann leider auch nur Schulungen ein."

Bollinger betont zudem, dass die Schulung nicht nur auf die technische Anwendung abzielen sollte, sondern vor allem auf das Bewusstsein für Risiken: "Es geht ja auch weniger um den Umgang mit den Systemen, also dass ich irgendwie mit meiner Software klarkomme, das werden die meisten dann irgendwie hinkriegen, wenn sie täglich damit arbeiten. Aber es geht darum, eben sich der Risiken bewusst zu sein, der rechtlichen Risiken auch vor allem."

Evidenz und Beispiele

Als konkretes Beispiel für die Relevanz der KI-Kompetenz wird die Nutzung von generativer KI wie ChatGPT genannt, die im Sinne des EU AI Act als "KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck" eingestuft wird. Bei der Nutzung solcher Tools müssen Mitarbeitende sich der damit verbundenen urheberrechtlichen und datenschutzrechtlichen Fragen bewusst sein.

Ein weiteres Beispiel ist die unterschiedliche Behandlung von Anwendern und Anbietern von KI-Systemen im EU AI Act. Für Unternehmen, die KI-Systeme selbst entwickeln und auf den Markt bringen, gelten höhere Anforderungen: "Wenn man KI-Entwickler hat, dann ist man im Zweifel ja auch nicht nur ein Anwender, sondern ein Anbieter, wenn ich Programme selber entwickle und die auf den Markt bringe. Und für Anbieter liegen die Pflichten natürlich noch mal eine Latte höher als für reine Anwender."

Bollinger weist auch auf die praktischen Implikationen für Unternehmen hin, insbesondere im Hinblick auf potenzielle Haftungsrisiken: "Wenn ich dann sagen kann, ja, meine Mitarbeiter waren geschult, dann reduziere ich natürlich meine Schadensersatzpflicht, die möglicherweise eintreten könnte, erheblich."

Diskussion

Die rechtliche Dimension der KI-Nutzung stellt Unternehmen vor komplexe Herausforderungen, die eine differenzierte Betrachtung erfordern. Dabei geht es nicht nur um formale Compliance, sondern um einen verantwortungsvollen Umgang mit KI, der Risiken minimiert und gleichzeitig Innovationspotenziale nutzt.

Verbindungen

Die rechtliche Dimension ist eng verknüpft mit der Entwicklung von KI-Kompetenzen, da rechtliche Anforderungen wie der EU AI Act explizit die Sicherstellung dieser Kompetenzen fordern. Zudem bestehen Verbindungen zur KI-Implementierung, da rechtliche Aspekte bei der Einführung von KI-Tools berücksichtigt werden müssen, sowie zur Transformation der Personalentwicklung, die durch neue rechtliche Anforderungen vor zusätzliche Aufgaben gestellt wird.


Transformation der Personalentwicklung durch KI

HR Transformation Learning & Development Skill Management

Kontext

Die Personalentwicklung steht durch den Einsatz von KI vor einem tiefgreifenden Wandel, der sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Im Podcast wird deutlich, dass KI nicht nur ein Thema ist, das geschult werden muss, sondern auch ein Tool, das die Personalentwicklung selbst transformieren kann. Der Kontext dieser Transformation ist geprägt von der Notwendigkeit, effizienter zu arbeiten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, von der Möglichkeit, konzeptionelle Vorarbeiten zu beschleunigen, und von dem Potenzial, sich stärker auf die eigentliche Implementierung und die Begleitung von Menschen zu konzentrieren. Gleichzeitig bestehen Vorbehalte, dass eine zu starke Fokussierung auf Skills zu einer Entmenschlichung führen könnte – ein Aspekt, der im Podcast kritisch reflektiert wird.

Kernargumente

Jutta Solga betont das Potenzial von KI, konzeptionelle Vorarbeiten in der Personalentwicklung zu beschleunigen: "Wie viele Stunden hat jeder Personalentwickler in seinem Leben schon mit der Erstellung von irgendwelchen Kompetenzmodellen verbracht [...] Jahre auch meines Lebens sind in genau solche Dokumente reingeflossen. Und meistens, wenn man dann damit fertig war, war das Thema schon so tot geritten, dass man gar nicht in die richtige Implementierung gekommen ist." KI ermöglicht es, diese Prozesse zu verkürzen und sich auf die eigentliche Implementierung zu konzentrieren.

Ein weiteres Kernargument ist die Möglichkeit, durch KI-Unterstützung eine stärker skill-orientierte Organisation zu entwickeln: "Wir reden ganz viel über skill-orientierte Organisationen und ich glaube, dass uns hier KI massiv helfen kann, endlich also eine Traktion, ein richtiges Tempo da reinzukriegen, weil wir diese ganzen konzeptionellen Vorarbeiten ein bisschen abkürzen können."

Solga widerspricht dem Vorwurf, dass eine skill-orientierte Organisation entmenschlicht sei: "Ich brauche ja quasi einen strukturierten Anlass, um über Menschen, um mit Menschen über Entwicklung zu sprechen [...] Wenn ich aber Hilfestellung bekomme und Worte dafür kriege mit Verhaltensmustern dahinter, dann kann ich mich viel menschenorientierter dahin wenden und wirklich sagen so, wie schaffst du es jetzt, Kundenorientierung und hiermit meine ich Verhalten XY in deinem Alltag besser zu integrieren? Und wie kann ich dir dabei helfen?"

Evidenz und Beispiele

Als konkretes Beispiel für den Einsatz von KI in der Personalentwicklung wird die Erstellung von Kompetenzmodellen genannt, die durch KI erheblich beschleunigt werden kann: "Ich liebe es für Kompetenzmodelle [...] und es ist halt so einfach, weil wir haben uns dann so eine Art Metaprompts auch formuliert, die teilen wir auch und sagen so, das ist unsere Skill-Taxonomie, mit der arbeiten wir und in diesem Rahmen erstelle mir doch bitte für folgende Funktionen die 10 wichtigen Skills, die dazu gehören."

Ein weiteres Beispiel ist die Vorbereitung von Entwicklungsgesprächen, die durch KI-Unterstützung effizienter gestaltet werden kann: "Ich muss gleich ein Entwicklungsgespräch, ich möchte eine Teamleitung Richtung Abteilungsleitung entwickeln. Was sind sozusagen die wesentlichen Verhaltenspunkte, die sich ändern, damit wir die gut im Gespräch besprechen können? Da hätte ich vorher, weiß ich nicht, einen Tag lang rumgebastelt und deswegen nicht getan. Jetzt hat es mich 5 Minuten gekostet und ich führe ein viel besseres Gespräch."

Solga beschreibt auch, wie KI Personalentwicklern helfen kann, sich auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren: "Das, wo ich als Personalentwickler dann wirklich auch Nutzen stiften kann, wenn ich Menschen nicht nur einen Rahmen gebe, sondern ihnen auch helfen, diesen Rahmen anzuwenden. Und dann bin ich meistens in ganz tiefen menschlichen Themen drin, in Konflikten zwischen Menschen, in Überforderungssituationen, in der Fragestellung. Aber wie kann ich meine eigene Konfliktaversität überwinden als Führungskraft und meinem Mitarbeiter ein wirklich kritisches Feedback geben?"

Diskussion

Die Transformation der Personalentwicklung durch KI bietet erhebliche Chancen zur Effizienzsteigerung und zur Fokussierung auf wertschöpfende Tätigkeiten. Gleichzeitig erfordert sie eine bewusste Gestaltung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und KI als Unterstützungstool begreift, nicht als Ersatz für menschliche Interaktion und Beziehungsarbeit.

Verbindungen

Die Transformation der Personalentwicklung ist eng verknüpft mit der Entwicklung von KI-Kompetenzen, da Personalentwickler selbst diese Kompetenzen benötigen und gleichzeitig für deren Vermittlung an andere Mitarbeitende verantwortlich sind. Zudem bestehen Verbindungen zur KI-Implementierung, da die Personalentwicklung eine zentrale Rolle bei der Begleitung dieses Transformationsprozesses spielt, sowie zur rechtlichen Dimension, da neue Compliance-Anforderungen wie der EU AI Act die Personalentwicklung vor zusätzliche Aufgaben stellen.


Analyse

Theoretische Einordnung

Die im Podcast diskutierten Themen lassen sich in verschiedene theoretische Frameworks einordnen. Die KI-Implementierung kann im Kontext von Change-Management-Theorien betrachtet werden, die betonen, wie wichtig es ist, Mitarbeitende in Veränderungsprozesse einzubeziehen und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Die Entwicklung von KI-Kompetenzen lässt sich im Rahmen von Kompetenzmodellen und Lerntheorien einordnen, die verschiedene Dimensionen von Kompetenz unterscheiden und unterschiedliche Lernwege berücksichtigen. Die rechtliche Dimension spiegelt den zunehmenden Trend zur Regulierung von Technologien wider, der auf die Minimierung von Risiken und die Sicherstellung eines verantwortungsvollen Einsatzes abzielt. Die Transformation der Personalentwicklung kann im Kontext der HR-Transformation und der zunehmenden Bedeutung von Skills und Kompetenzen in der modernen Arbeitswelt gesehen werden.

Praktische Implikationen

Aus dem Podcast ergeben sich zahlreiche praktische Implikationen für Unternehmen, die KI einsetzen oder einsetzen wollen. Zunächst wird deutlich, dass ein strategischer und differenzierter Ansatz notwendig ist, der sowohl technische als auch kulturelle Aspekte berücksichtigt. Unternehmen sollten KI nicht "wie Konfetti in die Luft schmeißen", sondern gezielt dort einsetzen, wo sie einen echten Mehrwert bietet. Zudem ist die Entwicklung von KI-Kompetenzen ein zentraler Erfolgsfaktor, der einen umfassenden Ansatz erfordert, der über reine Wissensvermittlung hinausgeht und praktische Anwendung, kritische Reflexion und kontinuierlichen Austausch umfasst. Unternehmen müssen auch die rechtlichen Anforderungen berücksichtigen, insbesondere die Verpflichtung zur Sicherstellung von KI-Kompetenz gemäß EU AI Act, und geeignete Maßnahmen ergreifen, um Compliance sicherzustellen und Haftungsrisiken zu minimieren. Schließlich bietet KI erhebliche Chancen für die Personalentwicklung, die genutzt werden können, um effizienter zu arbeiten und sich auf wertschöpfende Tätigkeiten zu konzentrieren.

Synthesis & Ausblick

Übergreifende Muster und Erkenntnisse

Erstens wird deutlich, dass KI nicht nur ein technologisches, sondern auch ein kulturelles und strategisches Thema ist, das einen differenzierten Umgang erfordert.

Zweitens zeigt sich, dass die erfolgreiche Nutzung von KI eine Kombination aus technischer Infrastruktur, Kompetenzentwicklung und kulturellem Wandel erfordert.

Drittens wird deutlich, dass KI das Potenzial hat, Arbeitsprozesse zu transformieren und Mitarbeitende zu entlasten, jedoch nicht als Ersatz für menschliche Interaktion und Beziehungsarbeit verstanden werden sollte.

Viertens zeigt sich, dass die rechtliche Dimension des KI-Einsatzes zunehmend an Bedeutung gewinnt und Unternehmen vor neue Compliance-Anforderungen stellt.

Praktische Handlungsempfehlungen

  1. Sichere KI-Umgebung schaffen 🔐
    • Unternehmen sollten sichere KI-Umgebungen implementieren, um Datenschutzrisiken zu minimieren.
    • Sensible Unternehmensdaten sollten nicht in offene KI-Modelle wie ChatGPT eingegeben werden.
  2. Gezielten KI-Einsatz planen 🎯
    • KI-Tools sollten nicht unkontrolliert eingeführt, sondern gezielt für konkrete Anwendungsfälle genutzt werden.
    • Besonders wertvoll ist KI in repetitiven Aufgaben sowie in kreativen und kommunikativen Prozessen.
  3. Mitarbeitende befähigen und schulen 💪
    • Unternehmen müssen gemäß EU AI Act sicherstellen, dass Mitarbeitende über KI-Kompetenzen verfügen.
    • Ein mehrstufiger Schulungsansatz mit Online-Kursen, Workshops und Praxis-Communities ist sinnvoll.
    • Führungskräfte sollten als Multiplikatoren eine Schlüsselrolle in der Kompetenzvermittlung übernehmen.
  4. KI in die Personalentwicklung integrieren 📈
    • KI kann bei der Erstellung von Kompetenzmodellen und Entwicklungsgesprächen unterstützen.
    • Die Personalentwicklung sollte sich durch KI-Unterstützung auf zwischenmenschliche und strategische Aufgaben fokussieren.
  5. Rechtliche Vorgaben einhalten 👮
    • Unternehmen sollten Compliance-Anforderungen des EU AI Acts umsetzen, um Haftungsrisiken zu minimieren.
    • Regelmäßige Schulungen zum bewussten Umgang mit KI und Datenschutz sind essenziell.
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