Intro

In der Diskussion um digitale Innovation im Mittelstand wird sich oft einseitig auf Technologie fokussiert. Dabei ist es nicht die Technologie selbst, die den Unterschied macht, sondern ihre effektive Nutzung zur Unterstützung von Menschen und Prozessen. Die entscheidende Frage ist folglich nicht: "Welche Technologie ist die richtige?", sondern vielmehr: "Welche unserer Teams brauchen wann welche Lösung, um welches unserer Ziele zu erreichen?"

Dieser Guide bietet eine umfassende Analyse der drei zentralen Technologieansätze No-Code, Low-Code und High-Code und zeigt auf, wann es sinnvoll ist, sich über Technologie zu unterhalten und wann nicht.

Einführung und Relevanz

In der heutigen digitalen Ära stehen KMU unter Druck, wettbewerbsfähig zu bleiben und innovative Lösungen zu finden. No-Code, Low-Code und High-Code bieten unterschiedliche Ansätze zur Effizienzgewinnung, die KMUs helfen, digitale Schlagkraft zu entwickeln. Diese Technologien sind besonders relevant, da sie die Abhängigkeit von großen IT-Abteilungen reduzieren, Kosten senken und die Entwicklungsgeschwindigkeit steigern können.

Definitionen und Konzeptionelle Unterschiede

No-Code (geringe Flexibilität) und High-Code (hohe Flexibilität) stehen sich im Kontinuum exakt gegenüber. Low-Code bildet die goldene Mitte – und lässt sich sogar um Module erweitern, die High-Code ausführen.
  • No-Code: Plattformen wie Bubble.io, Airtable und Zapier ermöglichen es Nutzern, Anwendungen ohne jegliche Programmierung zu erstellen, oft durch visuelle Schnittstellen und Drag-and-Drop-Funktionen. Sie sind ideal für nicht-technische Nutzer mit Fachkenntnis, die aus der Belegschaft heraus Innovation und Digitalisierung mit kleinen Initiativen vorantreiben. 
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Wir nennen diese Menschen “Citizen Developer”, zu Deutsch “Bürgerliche Entwickler” – und bezeichnen damit Entwickler aus der Belegschaft, nicht der IT.
  • Low-Code: Plattformen wie Microsoft PowerApps und Make.com erfordern minimale Programmierung und bieten Vorlagen und vorgefertigte Komponenten, die die Entwicklung komplexer Anwendungen beschleunigen. Sie richten sich an Citizen Developer mit grundlegendem technischen Verständnis und erlauben die Entwicklung sehr robuster Anwendungen und Prozesse – vorausgesetzt, Deine Teams sind im Umgang mit diesen Tools gut ausgebildet.
  • High-Code: Dies bezieht sich auf traditionelle Softwareentwicklung mit Programmiersprachen wie Java, Python und C++, die umfangreiche Programmierkenntnisse erfordern und für komplexe, maßgeschneiderte Lösungen genutzt werden.

Um diese Ansätze zu vergleichen, habe ich Dir hier eine detaillierte Übersicht aufbereitet:

Feature

No-Code

Low-Code

High-Code

Zielgruppe

Nicht-technische Nutzer mit Fachwissen

Citizen-Developer mit Fachwissen, etwas Programmierkenntnisse

Professionelle Entwickler

Benutzerfreundlichkeit

Sehr einfach, keine Programmierung erforderlich

Relativ einfach, minimale Programmierung

Erfordert Programmierkenntnisse

Anpassungsfähigkeit

Begrenzt, basierend auf Plattformfähigkeiten

Flexibler, kann benutzerdefinierten Code hinzufügen

Sehr flexibel, volle Kontrolle

Kosten

Oft Abonnementbasiert, erschwinglich

Teurer als No-Code

Eher hoch, besonders für komplexe Projekte

Markteinführungszeit

Sehr schnell

Eher schnell

Eher lange Entwicklungszeit

Vorteile für KMUs

Die Vorteile von No-Code und Low-Code für den Mittelstand und Corporate-Innovation sind vielfältig und können entscheidend für den Erfolg Deiner Transformation sein. Hier folgen die vier aus meiner Sicht größten Vorteile:

  • Schnellere Entwicklung und Bereitstellung: Plattformen wie Airtable ermöglichen es, Anwendungen schnell zu prototypisieren und bereitzustellen, was die Reaktionszeit auf Marktveränderungen verkürzt und Veränderung spürbar macht.
  • Geringere Abhängigkeit von IT-Abteilungen: Durch die Ausbildung von Citizen-Developern können Nutzer mit Fachwissen eigene Lösungen erstellen, was Deine IT weniger stark belastet und die Geschwindigkeit steigert.
  • Kosteneinsparungen: Laut einer Studie von Forrester können Low-Code-Plattformen die Entwicklungszeit um bis zu 10 Mal verkürzen, was die Kosten für Einstellung und Schulung von neuen Mitarbeitern senkt (Forrester).
  • Empowerment von Citizen Developern: Nicht-technisches Personal kann zur digitalen Transformation beitragen, indem es Anwendungen für spezifische Abteilungsbereiche erstellt.

Anwendungsfälle und Fallstudien

Ist das alles nur nettes Spielzeug, oder lässt sich damit wirklich etwas reißen? Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns Fallstudien anderer Deutscher Firmen an, die alle auf eins angewiesen sind: robuste, zuverlässige und sichere Abläufe, die mit hoher Last und unter Einhaltung der DSGVO abgebildet werden müssen.

  • Finn: Nutzt die Low-Code-Plattform Make.com für alle Prozesse, um Autos im Abomodell an Privatkunden zu vermieten – und hat das gesamte Produkt von der Bestellung und Einflottung neuer Fahrzeuge über die Ausstattung und Auslieferung bis hin zur Rücknahme und Entflottung auf dieser Technologie aufgebaut. Wir reden hier nicht von einem Prototypen oder einem Piloten, sondern von einer Full-Scale-Enterprise-Anwendung. Tech-Investoren finden, dass dieser Ansatz überzeugt und haben Finn +900 Mio. USD Fremdkapital zur Verfügung gestellt. (Make.com)
  • Fonds-Finanz: Nutzt ebenfalls die Low-Code-Plattform Make.com bei der Automatisierung der Vertragsbewertung und -verwaltung im Versicherungsbereich –  und spart damit über 10.000 Stunden pro Jahr. (Make.com)
  • TeleClinic: ein in München ansässiges Unternehmen, nutzt die Low-Code-Plattform Make.com, um alle Prozesse im Bereich der Telemedizin zu automatisieren. Das gesamte Produkt – von der Patientenanmeldung über die Terminvereinbarung bis hin zur Ausstellung von Rezepten und Krankschreibungen – wurde auf dieser Technologie aufgebaut. Dies ist keine Testphase oder ein Pilotprojekt, sondern eine vollumfängliche Enterprise-Anwendung. Durch diesen Ansatz konnte TeleClinic seine Effizienz steigern und das Wachstum vorantreiben.(Make.com)

Diese Fallstudien zeigen, wie Corporates und Mittelstand gleichermaßen von diesen Technologien profitieren können, insbesondere in Bereichen wie Kundenservice, Logistik und internen Prozessen.

Der richtige Zeitpunkt für die Frage nach der Technologie

Eingangs habe ich geschrieben, dass Technologie nicht der richtige Ausgangspunkt ist. Deswegen schauen wir uns jetzt an, was stattdessen im Fokus stehen sollte und wann wir eine Technologieauswahl vornehmen (Spoiler: Du wirst überrascht sein, wie spät es um Technik gehen wird).

Wie es nicht geht:
❌ Technik an vorderste Front setzen, obwohl den Menschen Grundlagen fehlen

❌ Strukturen so belassen, wie sie historisch gewachsen sind

❌ Vorhandenen Menschen einfach nur neue Titel geben

❌ Keine geschützten Räume fürs "Andersdenken" und Experimentieren öffnen

❌ Die IT direkt mit High-Code-Projekten dicht machen, die nur unter Krampf fertig werden

Innovation auf dem Rücken der internen IT umzusetzen funktioniert nicht. Ebenso wenig funktioniert die bloße Bereitstellung von No- und Low-Code-Tools für die gesamte Firma und das Hoffen auf Effizienzgewinne. Nicht nur, weil Menschen Coaching, Mentoring und Upskilling benötigen, um mit den Tools umzugehen, sondern auch, weil sie ihre Denkmuster und Arbeitsweisen spürbar anpassen müssen.

Wie es stattdessen geht:
✅ Das Zielbild eines zukunftsfähigen Teams definieren

✅ Den Status Quo ermitteln und mit dem Zielbild abgleichen

✅ Resultierende Lücken durch Mentoring und Upskilling schließen

✅ Agile Denk- und Arbeitsweisen schulen und zum festen Bestandteil machen

✅ Risikoarme Projekte mit Business Value als erste Piloten aufsetzen

✅ Die neue Arbeitsweise leben lernen

✅ Erfolge dieser Projekte für die gesamte Belegschaft spür- und sichtbar machen

✅ Iterativ die nächsten Projekte und Weiterentwicklungen vornehmen

Wir setzen bei der Auswahl und Einführung neuer Technologien auf unser Corporate Innovation Framework, das Du gerade kennengelernt hast. Dabei gehen wir vom Zielbild eines zukunftsfähigen Teams aus, das die strategischen Ziele Deines Unternehmens umsetzen kann. Danach ermitteln wir gemeinsam in einem Workshop, welche Skills, Denk- und Arbeitsweisen dieses Team braucht.

Neben generellen Coachings und Workshops zu agilen Arbeitsweisen findet die Technologieauswahl also erst hier statt – und bildet damit einen wesentlichen Unterschied zu anderen Beratungsunternehmen, die lediglich Quick Wins und Lösungen verkaufen, die niemand sonst warten und weiterentwickeln kann. Für uns steht die Befähigung von Menschen zur Erreichung von Zielen einer Organisation im Mittelpunkt.

Als nächstes wählen wir risikoarme Projekte mit klarem Business Value aus, setzen diese als Pilotprojekte für die digitale Transformation auf und begleiten Dein Team bei der Entwicklung: 

Von der Prozessaufnahme über die Umsetzung bis zum Rollout und der internen Kommunikation schulen wir Mitarbeiter, geben engmaschig Feedback und machen Teams zukunftsfähig – damit sie den Wandel verstehen, gestalten und aus eigener Kraft vorantreiben können.

Im Ergebnis haben wir Teams, die ausgebildet und handlungsfähig sind und erste Projekte, die Erfolge spürbar und konkret machen.

Hast Du’s gemerkt? Hier ging es nicht um Technologie, sondern um Menschen – denn mit ihnen steht und fällt Dein gesamtes Vorhaben.

Zum Ende des Guides habe ich Dir einen Überblick der aktuellsten Forschung zu dem Thema aufbereitet. Diese legt nahe, dass zukünftige Trends in No-Code und Low-Code die folgenden Bereiche umfassen:

  • Erhöhte Adoption: Teams werden in Zukunft noch stärker durch Technologie befähigt, Dinge zu tun, die zuvor nicht oder nur von hochspezialisierten Menschen ausgeführt werden konnten.
  • Integration mit KI und maschinellem Lernen: Plattformen integrieren zunehmend KI, um komplexe Aufgaben zu automatisieren und Anwendungsfähigkeiten zu verbessern.

Herausforderungen

Zum Ende des Guides möchte ich kurz auf die Herausforderungen eingehen, die Führungskräfte berücksichtigen sollten:

  • Begrenzte Anpassung: Für hochkomplexe oder spezialisierte Anwendungen bieten insbesondere No-Code-Plattformen möglicherweise nicht die nötige Flexibilität, was zu teuren Workarounds führen kann. Um das zu vermeiden, empfehle ich Dir, von Anfang an auf Low-Code statt auf No-Code zu setzen.
  • Sicherheitsbedenken: Die Sicherstellung von Datensicherheit und Einhaltung von Datenschutzvorschriften kann herausfordernd sein, insbesondere bei der Nutzung von Cloud-basierten Plattformen. Die gängigen Anbieter sind jedoch fast ausschließlich DSGVO-Konform und betreiben eine äußerst robuste Cloud-Infrastruktur.
  • Vendor Lock-in: Abhängigkeit von einer bestimmten Plattform kann den Wechsel oder die Integration mit anderen Systemen erschweren, was langfristig Kosten und Flexibilität beeinträchtigen kann. In Punkto Integrationsmöglichkeiten ist man ab Low-Code aber ohnehin maximal flexibel, das Thema halte ich folglich für weniger relevant.

Weiterführende Ressourcen

Wenn Du mehr über die angesprochenen Themen erfahren willst, empfehle ich Dir folgende Ressourcen:

Gartner bietet detaillierte Berichte über Low-Code- und No-Code-Plattformen, das Angebot ist allerdings etwas zu stark auf ein Enterprise-Umfeld zugeschnitten. 

Die Tool-Übersicht der Seite nocode.tech empfehle ich wärmstens.

Fazit

No-Code und Low-Code Plattformen sind transformative Technologien, die KMUs helfen können, ihre Softwareentwicklung zu optimieren und zukunftsfähig zu bleiben. Kern davon sind jedoch nicht Technologien, sondern Menschen und Teams. Durch das Verständnis ihrer Fähigkeiten und Herausforderungen können Führungskräfte Teams zu zukunftsfähigen Einheiten entwickeln, die die Wettbewerbsfähigkeit sichern und innovative Lösungen schaffen. Ob es sich um die Automatisierung interner Prozesse, die Erstellung kundenorientierter Anwendungen oder die Integration verschiedener Systeme handelt, dieser Ansatz bietet einen Weg zur Innovation und Effizienz.

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Über uns

Wir bauen effiziente, skalierbare Prozessautomatisierungen und entwickeln zukunftsfähige Teams, die Wandel verstehen, gestalten und aus eigener Kraft vorantreiben.

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